Nach dem Abitur war ich als SaZ-12 (Soldat auf Zeit für 12 Jahre) zur Bundeswehr gegangen und liebte meinen Beruf. Ich hätte Hauptmann und damit Berufssoldat werden können, habe extra eine Fotokopie der Planstellenzuweisung angefertigt, um das heute noch nachweisen zu können. Es gab nur einen einzigen Grund, daß ich mich nicht weiterverpflichte: ich wollte nahe bei meiner Kirche sein, wollte dauerhaft und so viel wie möglich am täglichen Leben der lokalen Gemeinde teilnehmen. Nur deshalb verließ ich schweren Herzens Ende 1992 die Luftwaffe. Für weitere 18 Monate bekam ich sogenannte Übergangsgebührnisse, also einen gewissen Prozentsatz meines letzten Gehalts. 1993 arbeitete ich bei einer kleinen Schlosserei in Sprendlingen, war als Hilfsarbeiter eingesetzt, hatte keine Karriereambitionen. Ich schickte Blindbewerbungen zu diversen Sicherheitsfirmen, ALLE luden mich ein, und ALLE wollten mich als Schichtleiter oder in ähnlicher Funktion einstellen. Bei einer Firma hatte ich sogar schon unterschrieben. Eines Abends aber sagte mein damaliger Pastor, Heinrich Lickel, Gott hätte etwas Besseres für mich. Etwas, das zu meiner Ausbildung und Qualifikation paßt. Das ermutigte mich sehr und änderte meine Denkweise. Am 12.02.1994 entdeckte ich dann eine Stellenanzeige der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH in der FAZ Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Sie war zeitgleich in der Süddeutschen Zeitung erschienen und damit deckte man seinerzeit den weltweiten Markt für hochqualifizierte Führungskräfte ab.
Auf meine Bewerbung hin wurde ich eingeladen, ein erstes Mal, wenig später ein zweites Mal in der engsten Auswahl von drei übriggebliebenen Bewerbern. Später fand ich heraus, daß insgesamt 120 Ingenieure mit Führungserfahrung in Frage gekommen waren. Als ich einige Wochen nach Dienstbeginn meinen Chef vertrat und Reisekostenanträge abzeichnete, hielt ich zufällig auch die Reisekostenabrechnung meiner letzten Konkurrenten in der Hand: einer war mein Kumpel im Studium gewesen, mit viel besseren Noten als ich, ohne seine Nachhilfe hätte ich die sauschwere Prüfung im gefürchteten Fach Thermodynamik nicht geschafft.
Beim zweiten Bewerbungsgespräch saß ich mit meinem künftigen Chef B. Folkmann, dessen Chef und Hauptabteilungsleiter Herrn Weigelt, einem Vertreter der Personalabteilung und einem Psychologen am Tisch. Irgendwann fragte der Psychologe, ob ich auch mal die Unwahrheit sagen würde, wenn es für die Firma von Vorteil wäre. Ich spürte sofort eine geistige Veränderung im Raum, zögerte kurz, antworte aber mit Nein. Der Psychologe bohrte nach: ob ich mir keine Situation vorstellen könne, wo ich Schaden von der DFS abwenden könne, wenn ich ausnahmsweise mal nicht bei der ganzen Wahrheit bliebe? Der ältere Herr W. hatte zeitweise mit geschlossenen Augen teilnahmslos dagesessen, nun beugte er sich nach vorne und starrte mich an. Man hätte eine Stecknadel fallen hören. Ich erklärte, daß ich überzeugt sei, die Unwahrheit zu sagen mag vielleicht kurzfristig zu Vorteilen führen, aber am Ende ist es immer besser, bei der Wahrheit zu bleiben. Herr W. verdrehte die Augen, als ob er sagen wollte: Du Dummkopf, jetzt hast du es versaut! Der Personalchef schnaufte enttäuscht aus und auch ich dachte: das war es jetzt wohl!
War es aber nicht. Einige Zeit später klingelte das Telefon in unserer Küche im vierten Stock in der Luisenstraße 33. Es war Herr Folkmann, bei dem ich mich beworben hatte. Er sagte, mich anzurufen fiele ihm leichter als bei den anderen. Ich drückte meine große Überraschung aus. Er wollte wissen, warum ich überrascht sei? Erinnern Sie sich an die Situation mit der Frage nach dem Unwahrheit-Sagen, fragte ich? Ja, entgegnete er - und genau deshalb möchte er mich als seinen Stellvertreter haben!
Zurückblickend kann ich meine 23 Jahre bei der Deutschen Flugsicherung in drei Abschnitte einteilen
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