Zur Zeit meiner Geburt wohnten meine Eltern mit meiner Oma väterlicherseits zur Miete auf einem Bauernhof mitten im Dorf. Große Tiere wie Kühe, Pferde oder Schweine gab es dort nicht mehr, aber ich durfte aufwachsen mit Hühnern, Gänsen, Katzen und ... Hunden. Auf einem Foto beuge ich mich aus dem Kinderwagen, Dackel "Lumpi" und eine Katze nebendran. Mama erzählte, daß er den Postboten biß und aggressiv gegen andere war - ich aber wuchs mit ihm auf, zerrte ihn an den Ohren und konnte mir alles mit ihm erlauben.
Abgelöst wurde er von Dackel "Purzel". Zeitgleich lebte auch Jagdhund "Asta" dort. Bis zur 4.Klasse war ich jeden Tag zum Essen bei Tante Berndina, jedesmal ließ ich die beiden Hunde aus dem ehemaligen Kuhstall, lief mit ihnen um die Wette durch die Holzhalle und bis zum Ende des langen Gartens, gewann gegen den Dackel mit seinen kurzen Beinen, hatte aber keine Chance gegen den Jagdhund. Es erstaunte mich, wie zuverlässig Asta Spuren verfolgen konnte. Ihr Besitzer, Onkel Eduard, Bruder von Tante Berndina und Jäger, hatte ein Hasenfell ausgestopft. Das banden Rainer und ich an eine Schnur hinter unsere Fahrräder und strampelten über Feldwege, versteckten das Fell irgendwo, radelten wieder zurück und ließen den Jagdhund aus dem Stall. Asta war dann total aus dem Häuschen, an einer langen Leine lief sie unseren Fahrrädern voraus und fand jedesmal den Hasen! Ihr Jagdtrieb war so stark, daß sie in einer Silvesternacht das Böllern als Jagd mißverstand und durch die Glasscheibe des Stallfensters sprang. Die Erwachsenen erzählten, daß bei einer Vogeljagd im Winter mehrere Jäger Enten schoßen, die in den Struthsee fielen. Die Hunde der anderen Jäger gingen nur kurz ins eiskalte Wasser, kamen wieder raus und schüttelten sich. Nur Asta holte die toten Enten aus dem Wasser - und zwar alle. Daraufhin bot ein Jäger 3000,- DM, was sehr viel Geld war. Aber Onkel Eduard verkaufte Asta nicht.
Die nächsten zwei Erlebnisse mit Hunden, an die ich mich erinnere, waren weniger schön. Unsere Nachbarn im Neubaugebiet, wohin wir 1966 umgezogen waren, hielten einen großen schwarzen Hütehund namens Morro im Zwinger am Ende ihres Gartens. Zu dieser Zeit war noch kein Zaun zwischen unseren Grundstücken errichtet gewesen. Eines Tages spielte ich mit dem Nachbarjungen in unserem Garten, als der Hund angerannt kam und mich in die Hüfte biß. Wahrscheinlich wähnte er den Sohn seines Besitzers in Gefahr und wollte ihn beschützen.
In einem anderen Sommer war ich für zwei Wochen in Lindach, dem Geburtsort meiner Mutter bei Volkach, in den Ferien. Onkel Gustav und Tante Adelgunde hielten einen weißen Spitz und warnten mich, das Tier anzufassen. Am vorletzten Tag meines Aufenthaltes half ich beim Mauern eines Schornsteins, trug Abbruchsteine aus dem Haus. Der Spitz schaue mich jedesmal treudoof an, wenn ich an ihm vorbeiging. Weil er so lieb schaute und brav da saß, wollte ich ihn doch mal streicheln. Ich kam gar nicht dazu, denn sobald ich meine Hand nach ihm ausstreckte, sprang er danach und biß zu! Zum Glück trug ich Arbeitshandschuhe, der Schreck saß aber tief! Als Trost kaufte mir Onkel Gustav im benachbarten Gerolzhofen die damals aktuelle Asterixausgabe "Asterix und der Arvernerschild".
Ein eigener Hund wurde von meiner Mutter nie erlaubt, weil sie fürchtete, daß nach abklingender Begeisterung die Arbeit an ihr hängen bleiben würde. Ich erinnere mich noch, wie ich unten im Flur vor Omas Küche trotzig entgegnete: dann kaufe ich mir selber einen Hund, sobald ich 18 bin! Natürlich hatte ich später mit 18 doch andere Interessen.
Für gut 20 Jahre war dann bezüglich Hunden Ruhe. Ich interessierte mich überhaupt nicht für sie, hatte Respekt vor ihnen und war immer zurückhaltend. Nein, ein weiteres Erlebnis gab es doch noch zwischenzeitlich: Als Ursula einmal unseren jüngsten Sohn in der Wilhelm-Schramm-Straße zum Kindergarten brachte, fühlte sich ein Nachbarhund wohl zwischen Gartenzaun und Kinderfahrrad bedroht und schnappte nach dem Buben. Die Nachbarin wollte das Tier daraufhin einschläfern lassen, aber wir beruhigten sie und sie ließ davon ab.
Es muß dann Mitte der Neunzigerjahre gewesen sein, als ich mir immer wieder Gedanken zur Anschaffung eines Hundes machte. Hauptsächlich der inzwischen drei Kinder wegen. Und wenn, dann sollte es ein Hund sein, der uns vor anderen beschützen kann - und nicht einer, den wir beschützen müssen. Also mindestens Schäferhundgröße. Ich kaufte diverse Fachbücher, lieh welche in der Stadtbibliothek aus, recherchierte im Internet, sprach mit Hundebesitzern. Drei Jahre benötigte ich, meine Frau zu überzeugen. Denn sie fürchtete, daß nach anfänglichem Enthusiasmus die meiste Arbeit an ihr hängenbleiben würde. Ja, es kam sogar so weit, daß ich einen Vertrag mit ihr aufsetzen mußte, in dem ich sie von allen Aufgaben bezüglich eines Hundes freisprach. Nach eingehenden Überlegungen entschied ich mich für einen Collie. Einen nach Art "Lassie". Ideal für Kinder, gut als Familienbeschützer, schön vom Aussehen. In Mecklenburg-Vorpommern entdeckte ich eine private Züchterin, nahm Kontakt auf, plante einen dreitägigen Kurzurlaub an der Ostsee. Vom Wurf mit 9 Welpen waren zwei schon vergeben. Ich wollte unbedingt ein männliches Tier. Zwei Rüden gab es. Einen nannte die Züchterfamilie "Rambo", den anderen "Tyson". Warum gerade diese Namen, wollten wir wissen? Weil am Futternapf Rambo alle seine Geschwister wegdrückt und sich immer durchsetzt. Aha, dachte ich bei mir: den will ich! Welchen aber würde meine Frau wählen? Das erübrigte sich, denn Rambo kam als einziger der kleinen Hundebabies und küßte (leckte) meiner Frau die Füße. Damit war klar: Rambo wird UNSER Hund! Wir tauften ihn um in JOHNNY, denn Rambo ist doch zu martialisch. Heimwärts verkroch er sich im VW Golf unter den Beifahrersitz, die Trennung von seiner bisherigen Familie war ganz frisch.
Daheim in Offenbach wurde Johnny schnell Teil der Familie. Und meine Frau liebte ihn am meisten! Wir hatten 700 Quadratmeter Grundstück und wohnten am Waldrand. Die Jungs schoßen Fußbälle weitmöglichst weg, Johnny brachte sie begeistert zurück. Mit Lukas fuhr ich samstags zur Hundeschule am Bieberer Berg, wo beide einiges lernten. Wir hatten Johnny in der Toskana und an der französischen Atlantikküste dabei, Autofahren war kein Problem.
Wie es weiterging? Als wir Anfang 2010 nach Darmstadt in eine Mietwohnung umzogen, trennten wir uns von Johnny, gaben ihn einer Familie mit 4 Kindern. Einmal noch besuchten wir ihn, dann verloren wir ihn aus den Augen. Aber nicht aus dem Sinn.
Wie es weitergeht? Wir hätten gerne wieder einen Hund. Aber nicht in der Innenstadt. Sollten wir einmal umziehen und wieder die räumlichen Möglichkeiten haben, werden wir uns wieder einen treuen Hund holen.