Das Leben schreibt doch die besten Geschichten.
Hier einige aus meinem.
Der alte Mann und der See
Als ich mit Mitte 50 am Badesee war, schwamm ich raus zu einer Plattform, kletterte hoch, sah nur viele Kinder zwischen 8 und 14 Jahren und sprang deshalb gleich wieder mit einem Kopfsprung zurück ins Wasser. In einem weiten Bogen bewegte ich mich zurück Richtung Ufer, kam an zwei Jungs vorbei und hörte deren Unterhaltung. Sprach der eine zum anderen: Ey, hast du gerade den alten Mann gesehen, wie der ins Wasser gesprungen ist? Im langsamen Weiterschwimmen dachte ich bei mir: Welcher alte Mann? Da waren doch nur ich und die Kinder? Plötzlich fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren: der alte Mann bin ICH!
Ein Offizier und Gentleman
Nachdem wir uns verlobt hatten, zweifelten Ursulas Arbeitskolleginnen meine Heiratsabsichten an. Ganz offen sagten sie meiner Verlobten, sie sei einem Heiratsschwindler aufgesessen. Ursula war traurig. Nachdem ich davon erfahren hatte, verließ ich eines freitags nach Dienstschluß die Kaserne in Lich in meiner blauen Ausgehuniform, kaufte beim Blumen-Kitzinger in der Mühlheimer Straße einen riesigen Strauß roter Rosen und fuhr zu Ursulas Arbeitsplatz am Kaiserlei. Der Dame an der Pforte bei Honeywell fiel die Kinnlade runter, als ich mit glänzenden Schuhen, stahlblauer Uniform und großer Schirmmütze vor ihr stand. Normalerweise kam man ohne Termin gar nicht rein, erfuhr ich später. Als ich erklärte, daß ich zu Fräulein Reiter wolle, rief sie deren Chefin an. Diese holte mich persönlich von der Anmeldung ab und geleitete mich hoch in die Kantinenküche, wo meine damalige Verlobte arbeitete. Ich ließ alle Kolleginnen zusammenkommen, überreichte Ursula den Rosenstrauß und gab jeder der Frauen persönlich eine gedruckte Einladung zum Hochzeitsgottesdienst in die Hand. Als ich ging, klatschten alle. Ab da ärgerte keiner mehr meine zukünftige Frau.
Hitler war nicht mein Opa
Eines Tages rief eine Lehrerin an und bat darum, mich zu sprechen. Man merkte, daß es um ein sensibles Thema gehen mußte. Schließlich kam sie auf den Punkt und fragte, ob Adolf Hitler wirklich mein Großvater gewesen wäre? Ich verstand überhaupt nicht, wie sie darauf gekommen sein könnte? Nun ja, da ist ein Schüler in ihrer Klasse, ein Freund von unserem jüngsten Sohn, und dem hätte ich selbst gesagt, daß Hitler mein Opa gewesen sei. Kann gar nicht sein, entgegnete ich völlig überrascht. Des Rätsels Lösung: In unserem Wohnzimmer hängt ein Foto von 1939, auf dem rechts mein Vater, links dessen älterer Bruder und in der Mitte mein Großvater zu sehen sind. Der Schüler hatte nach den Personen auf dem Bild gefragt und ich hatte sie ihm erklärt. Kurz darauf entdeckte der Junge im Unterricht ein Foto vom Führer und meldete ganz aufgeregt seiner Lehrerin, daß derselbe Mann bei uns im Wohnzimmer hängt und mein Opa sei. Okay, eine gewisse Ähnlichkeit ist nicht zu leugnen. Aber um es ganz klar zu sagen: mein Opa war Baptist Hauck, nicht Adolf H.
Der Name des Klaviers
Als unsere Tochter anfing Klavier zu spielen, bekamen wir ein altes Klavier geschenkt. Es stammte von meiner Großtante, war ca 100 Jahre alt und sah mit seinem nußbaumfarbenen Holz und den Schnitzereien für uns als Laien richtig schön aus. Die Klavierlehrerin riet dringend zum Stimmen und so ließ ich einen Klavierbauer kommen. Dessen Urteil war vernichtend: lohnt sich nicht mehr, hat einen Holz- statt Stahlrahmen, durch die enormen Kräfte der Stahlsaiten wird der Rahmen sich immer wieder verziehen, wenn er links anfängt zu stimmen und rechts angelangt, kann er gleich wieder von vorne anfangen. Wollten wir unserer Tochter was Gutes tun, sollten wir ein jüngeres Klavier kaufen. Wollten wir. Also bei selbigem Klavierbauer ein gebrauchtes Yamaha erworben nebst farblich passendem Klavierhocker. Was aber mit dem alten Erbstück anfangen? Platz für zwei Klaviere hatten wir nicht. Und zurückbringen sollten wir es auch nicht. Den Klavierbauer gefragt, ob er es in Anzahlung nähme? Der lachte nur und zeigte uns seinen Innenhof: dort standen tatsächlich zwei Dutzend dieser alten Klaviere, teilweise im Regen. Unverkäuflich, meinte er. Nur wenn ich ihm Geld geben würde für die Entsorgung, würde er es nehmen. Entrüstet lehnte ich ab und versuchte mein Glück trotzig mit einer Verkaufsanzeige für stolze 400,- im inserat. Wochenlang passierte nichts.
Bis eines Nachmittags ein Mann mit selbstsicherer Stimme aus Frankfurt anrief. Ob das Jacobsen Klavier noch da sei? Ob Jacobsen klar zu lesen sei? Welche Farbe der Schriftzug hätte? Größe der Buchstaben? Er würde es gleich abholen lassen. Eine Stunde später klingelte es, ein 38-Tonnen-Sattelschlepper und 4 Möbelpacker mit jeweils mindestens 120 kg Lebendgewicht standen vor dem Hoftor. Die suchen bestimmt eine andere Adresse, dachte ich, ein Nachbar zieht um oder ähnliches. Nein, die wollten zu Hauck. Dann hielt eine große schwarze Mercedes S-Klasse, ein Herr mit Seidenschal und Anzug kam auf mich zu. Ob ich ihm das Klavier zeigen könne? Er wollte wissen, wo der Herstellername Jacobsen stünde? Ich klappte den Deckel über den Tasten auf und zeigte es ihm. Ok, sagte er, zückte 4 Hunderter und zahlte. Schnalzte mit dem Finger und die schweren Jungs trugen das Musikinstrument raus. Er hatte nicht mal eine einzige Taste gedrückt! Theoretisch hätte unser Klavier völlig leer sein können, nur der Rahmen und die Tasten. Seltsam! Also fragte ich ihn. Seine Antwort: Er ist Inhaber einer Frankfurter Spedition und Mitglied in einem kleinen Männer-Segelclub an der Nordsee. Einer seiner Clubfreunde wird 70, hat ein reetgedecktes Ferienhaus an der Ostsee gekauft, das noch völlig leersteht. Jetzt will er ihm ein Geschenk machen, und das alte Nußbaumklavier würde als Möbelstück perfekt zum alten Haus passen. Der Segelfreund hat keine Ahnung vom Klavierspielen, aber er heißt JACOBSEN.
Der Schatz im Silbersee
Nun gut, einen Schatz fanden wir nicht, aber den größten Fisch! Und das kam so .... Während meines Aufenthalts in El Paso, Texas hatte einer der Mitbewohner unserer Männer-WG die Idee, zwei alleinerziehenden Müttern und deren jeweils zwei Kindern eine Freude zu bereiten. So fuhren wir eines Samstag zum Silver Lake in die Mescalero Apachen Reservation im benachbarten New Mexiko. Weder die kleinen Jungs noch ich hatten jemals geangelt. Ralph mietete Angelausrüstung für zwei Personen und wir gingen zum Ufer des friedlichen Sees. Wie Kinder nun mal sind, stapften sie ins Wasser und rannten wieder zurück, lachten und tollten herum. Wir Erwachsene banden irgendwelche Köder an die Angelhaken und warfen die Angelruten zusammen mit den Kindern raus *. Etwas links von uns angelten zwei "Profis", wie sich herausstellte. Bald kam der eine Mann und gab uns gute Ratschläge. Bei dem Lärm und dieser Unruhe würden wir nie etwas fangen, belehrte er uns. Sah ich ein, aber die Kinder interessierte das wenig.
Plötzlich zuckte eine der Angelruten, wir wußten gar nicht recht, was als nächster Schritt zu tun wäre. Die beiden Angler wurden erneut auf uns aufmerksam und kamen zur Hilfe. Gemeinsam zogen wir den größten Fisch aus dem Wasser, den diese Männer jemals in diesem See gesehen hatten! Da wir gar nicht mit einem Fang gerechnet hatten und auch nicht wußten, was wir mit dem großen Fisch anfangen sollten, schenkten wir die Beute den neu gewonnenen Angelfreunden.
* natürlich haben wir nicht die Angelruten, sondern die Schnur mit den Haken und Ködern ausgeworfen ... und die Kindern blieben natürlich bei uns am Ufer stehen.
Das Weiße in 30 Schwarzen
Es war im Jahr 1989, ich war als Soldat in Heide / Schleswig Holstein stationiert. Nach einer Nachtschicht und einem halben weiteren Arbeitstag fuhr ich die 640 km bis Offenbach, und nahm an einem Gottesdienst teil. Meine Kirchengemeinde traf sich damals in der B-Ebene des City-Centers, also neben der S-Bahnstation Marktplatz. Zu dieser Zeit besuchten ca 30 Schwarzafrikaner unsere Gemeinde, wir holten sie in einem angemieteten kleinen Bus extra ab. Da alle Gäste kein Deutsch sprachen, saß ich ganz hinten und übersetzte. Unsere technische Lösung war damals ein kleiner Sender, der meine ins Mikrofon gesprochenen Worte zu kleinen billigen Walkmanns bzw Taschenradios funkte, an die jeweils ein Paar Ohrhörer angeschlossen war, das sich zwei Personen teilten. Ich war hundemüde - und schlief mitten beim Übersetzen ein. Wahrscheinlich nicht mal eine Minute, aber als mich jemand an die Schulter tippte und ich in das Weiße von 30 weit aufgerissenen Augenpaaren von schwarzen Gesichtern blickte, die sich alle umgedreht hatten und mich anstarrten, war ich sofort hellwach. Später erzählte man mir auf Englisch, daß erst das Übersetzen aufgehört hatte und dann alle mein Schnarchen in den Kopfhörern hatten. Bestimmt hatte ich nicht laut geschnarcht, aber das Mikrofon war halt direkt an meinem Mund gewesen. Bis zum Ende der Predigt jedenfalls blieb ich hochkonzentriert.
Verloren im Maisfeld
Es muß im Sommer 2006 gewesen sein, wir waren auf der Heimreise vom Urlaub bei den Schwiegereltern in Ruhpolding, ein heißer Tag. Vor München 80 km Stau. Stopp-and-Go, schon über 3 Stunden im Auto unterwegs. Irgendwann mußte meine Frau auf die Toilette. Was nun? Nächste Ausfahrt raus, unter der Autobahn durch, die Landstraße entlang bis ein riesiges Maisfeld auftauchte. Habe nie ein größeres Maisfeld gesehen! Am Rand des Ackers gehalten, Frau und Kinder verschwanden im Feld, bald konnten wir weiterfahren. Besuchten noch meinen Bruder in Stuttgart und waren abends zurück zu Hause. Am nächsten Tag: ihr Geldbeutel ist weg. Mit allen Papieren und Geldkarten! Alles abgesucht, Auto auf den Kopf gestellt, Verwandte in Stuttgart und Ruhpolding angerufen. Nichts! Wir beteten, daß Gott uns hilft. Denn allein ihren Führerschein wieder zu beschaffen, wäre ein ganz schöner Verwaltungsaufwand. Nach ca 2 Wochen bekam ich einen Anruf vom Fundbüro München. Der Geldbeutel sei abgegeben worden. In München? Dort waren wir gar nicht gewesen. Ich bekam die Telefonnummer des Finders und rief an. Ein Mann erzählte mir: wir waren auf der Heimreise vom Urlaub, ein heißer Tag. Vor München 80 km Stau. Stopp-and-Go, schon einige Stunden im Auto unterwegs. Irgendwann mußte meine Frau auf die Toilette. Nächste Ausfahrt raus, unter der Autobahn durch, die Landstraße entlang bis ein riesiges Maisfeld auftauchte... meine Frau fand dann den Geldbeutel zwischen den Maispflanzen und wir gaben ihn bei unserem Besuch in München ab. Unglaublich, aber wahr! Dieser ehrliche Mann hatte an derselben Stelle des bestimmt über 1 km langen Feldes wie ich gehalten, seine Frau war zwischen dieselben Maisreihen und genauso tief ins Feld hineingegangen wie meine Frau ... Hätte der Bauer am Tag zuvor den Mais geerntet, wäre der Geldbeutel unterpflügt worden. Alles Zufall?