Meine ganz "normale" Kindheit

B wie ...

Badewanne

Damals war es in allen mir bekannten Familien üblich, die Kinder am Samstag Abend zu baden, wohl im Hinblick auf den obligatorischen Sonntagsgottesdienst. Bei Tante Berndina mußte dazu lange vor dem Badevergnügen ein Holzofen angeschürt werden zur Erzeugung des Warmwassers. In meinem Elternhaus im Mittelweg dagegen hatten wir den Segen einer Zentralheizung. Anfangs wurden wir zu zweit oder gar zu dritt in die Wanne gesetzt, mit zunehmendem Alter und Körpergröße badete ich allein. Zwar hatten wir sogar eine separate Dusche im Kellergeschoß, die nutzte ich aber erst mit ca 16 regelmäßig, wenn ich z.B. vom Tischtennistraining nach Hause kam.

 

Eine Badewannenaufenthalt war ja nicht nur zum Sauberwerden da, nein – da konnte man auch prima spielen und sogar was lernen! Ich erinnere mich an ein Holzkanu mit der Figur eines knieenden Indianers, das mein Vater mir aus Schweinfurt mitgebracht hatte. Mit meinen Händen erzeugte ich eine Strömung, die das Kanu um meinen Rücken herum schwimmen ließ. Aus Lego baute ich immer wieder Schiffe und lernte schnell, wozu ein tiefer Schwerpunkt in Form eines Kiels zwingend notwendig ist: sonst kippt das schönste Boot nämlich einfach um und treibt mit der Unterseite nach oben! Gerne beobachtete ich den Schaum (tue ich heute noch, gebe ich zu!), stellte mir vor, wie einzelne Schaumflächen Erdteile oder Länder darstellten, die kleiner werden oder sich mit benachbarten verbinden.

Bank

Am Hösberg, der ca 500 Meter südlich von meinem Elternhaus und vom Wohnzimmer aus zu sehen ist, errichtete mein Vater mit dem alten Schneiders Eugen eine Sitzbank. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten meine Eltern mit uns Kindern dort regelmäßig Picknick auf einer am Boden liegenden Decke gemacht. Nicht aus romantischen Gründen, wie ich später erfuhr, sondern um Geld für die Abbezahlung des Hausneubaus einzusparen. Der alte Besitzer der Schunks-Mühle fuhr die nötigen Bretter und Pfosten mit seinem Fendt-Frontlader hin. Ab da wurde "die Bank“ für uns ein fester Ortsbegriff.

Basteln

Verschiedene Menschen haben mich von klein auf zum Basteln / Werken inspiriert. Allen voran mein Vater, aber auch zum Beispiel der alte Herr Hartmann. Überall sammelte ich Materalien - tue ich übrigens heute noch ;-) Erinnere mich an Holzrundstäbe aus einem verlassenem Bienenstock; an ein Lüftungsgitter, welches mal unter einem Einbaukühlschrank war und das ich auf dem Metallabfall eines Installateurs fand. Siehe auch "Werkstatt".

Baumhaus

Welcher Freund mir damals geholfen hat, weiß ich heute nicht mehr, aber Idee und "Bauleitung" stammten von mir. Im Park der alten Welte-Villa gegenüber stand direkt hinter dem Zaun zu unserer Straße ein großer alter Laubbaum mit drei dicken Stämmen. In ca 2,5 Meter Höhe nagelten wir Querhölzer, auf die der Boden des Baumhauses gesetzt wurde. Die senkrechten Wände wurden zwischen den drei Stämmen festgenagelt, oben kam das Dach drauf. Der Zugang war unten im Boden durch eine Falltür, die mit einem Vorhängeschloß gesichert war, zur Straßenseite hin gab es ein "Fenster". Erstaunlich, daß die Besitzer uns diesen Bau erlaubten, schließlich war er sicherlich keine Verschönerung des Parks.

Beeren

Im Garten gab es jeden Sommer verschiedene Beerensorten. Reife Stachelbeeren haben wir mit den Zähnen aufgerissen und ausgesaugt, weiße und vor allem rote Johannesbeeren mit den Lippen von den Rispen gezogen. Oder in Schüssel mit Milch bzw Rahm und Zucker zubereitet.

Beten

(1) Mama lehrte uns ein Abendgebet, das ich mindestens bis zum Ende meiner Schulzeit allabendlich sprach: 

Bevor ich mich zur Ruh begeb,
zu dir oh Gott mein Herz ich heb, und sage Dank für jede Gab, die ich von dir empfangen hab;

Und hab ich heut mißfallen dir,
so bitt ich dich, verzeih es mir.
Dann schließ ich froh die Augen zu, es wacht mein Engel, wenn ich ruh.

Maria, liebste Mutter mein, o lass mich dir empfohlen sein. Dein Kreuz, o Jesus, schütze mich vor allem Bösen gnädiglich. In Deine Wunden schließ’ mich ein, dann schlaf’ ich sicher, keusch und rein.

Beschütze Mama und Papa, Annette, Martin, Andreas und Clemens, Oma Berta und Tante Berndina, Hansi und Susi. Amen.

Hansi war mein Wellensittich, Susi mein Meerschweinchen.

(2) Einmal hatten Rainer und ich ein Feuer am Rand einer Feldscheune, der von uns sogenannten "Hasenscheune" entzündet. Wir kannten uns ja mit Feuer-Machen aus und sahen keinerlei Gefahr. Das sah der Besitzer der Scheune ganz anders. Er hatte uns entdeckt und tobte, drohte mit der Polizei und daß er es unseren Eltern sagen würde. Ich war richtig eingeschüchtert, hatte Angst vor dem "Besuch" des Bauern. Deshalb versprach ich Gott, 100 Vater-Unser zu beten, was ich in mehreren Etappen unbemerkt in Annettes Zimmer erfüllte, langsam und jedes Wort bewußt sprechend. Einige Zeit später geschah es, es klingelte und der Bauer kam wütend zu meinen Eltern, von unten im Treppenhaus hörte ich die Unterhaltung mit. Völlig überrascht war ich, daß sie ganz entspannt blieben und den Mann beruhigend wegschickten. Für mich war klar, daß Gott mein Gebet erhört hatte!

(3) Wenn der erste Schnee fiel, betete ich den Begriff "inbrünstig" gebrauchend, daß er liegenbleibt. So weit ich mich erinnere, wurde diese Bitte allerdings nie erfüllt. Offensichtlich kommt es Gott mehr auf anderes als auf bestimmte "Schlüsselworte" an.

Bienenstock

Im Hochwald an der Kleineibstädter Straße entdeckten wir mal einen zerstörten bzw aufgegebenen Bienenstock. Die Rundholzstäbchen und Holzbrettchen aus Hartholz im Inneren nahm ich als kostbares Bastelmaterial mit nach Hause.

Blasrohr

Papa kaufte mir ein Blasrohr aus Kunststoff mit 3 Pfeilen, die einen Saugfuß hatten; Baute ich mit Reißnagel um.

Im Gymnasium, muß so 6. Klasse gewesen sein, bastelten wir Blasrohre aus Filzstifthüllen. Als Geschosse nutzten wir Berberitzenfrüchte oder aus Papiertaschentuch und Spucke geformten Kügelchen. Letztere klebten super an der Unterrichtstafel.

Blätter / Blumen trocknen

Baumblätter und Blüten oder ganze Blumenstengel wurden zwischen Löschpapier in einem Buch gepreßt und getrocknet.

Blechdosen-Telefon

Hatte ich in einem Buch entdeckt und natürlich gleich nachgebaut: Zwei leere Blechdosen, Loch in Boden, Schnur dazwischen gespannt. Faszinierende Kommunikationstechnik.

Bleigießen

Auslöser war vermutlich das Bleigießen mancher Erwachsener an Silvester. Ich nutzte das anders: eine ca 5 cm hohe Ritterfigur drückte ich zur Hälfte in zähflüssigen Gips, später wurde die andere Hälfte ausgegossen. In diese Negativform ließ ich Blei laufen, das ich über einem kleinen Feuerchen erhitzte, wo Papa immer Teile des Hausmülls verbrannte. Zum Erhitzen und Ausgießen diente eine ausrangierte Soßenkelle von Oma Agnes. Die entstandene Ritterfigur nannte ich Eisenkopf Wilson, vermutlich nach einer Filmfigur. Ich habe sie heute noch. Sie blieb ein Unikum, denn die Gipsform zersprang und konnte nicht ein zweites Mal gebraucht werden.

Blockhütte

Aus Weidenruten von ca 2 cm Durchmesser gebastelt, Hütte ca 30x20x15 cm LxBxH groß. Dach war abnehmbar, damit man mit Plastikfiguren drinn spielen konnte. Tür zu öffnen, Scharnier aus Lederstreifen.

Blutsbrüderschaft

Wahrscheinlich inspiriert von Karl-May-Büchern, aber zur konsequenten Nachahmung fehlte doch der Mut. Meinem 2 Jahre jüngeren Freund Peter W. erzählte ich eine frei erfundene Geschichte einer Bande von angeblich 100 Mitgliedern, die sich „Ponys“ nannten und ein bestimmtes Aufnahmeritual hatten. Mit über einer Kerze erhitzten glühenden Nadel versuchte ich, ihm irgendwas einzubrennen. Dauerte natürlich nur eine Sekunde, er ließ sich von seiner Oma behandeln und ich hatte totale Angst vor Strafe. Hat offensichtlich aber keiner je rausgefunden.   

Blumen

Zum Muttertag viele Jahre lang Blumen gepflückt in der Wiese neben unserem Haus und Mama geschenkt. Das erste Mal hat bestimmt Papa mich dazu angeleitet.

Bowiemesser

Siehe „Messer“

 

Brennglas

Siehe „Lupe“.

Brandzeichen

Cowboy- und Indianerfiguren hatte nicht nur ich, sondern auch meine zwei jüngeren Brüder. Manche waren mehrfach vorhanden. Zur Kennzeichnung brannte ich mit einer über einer Kerze erhitzten Nadel unter den Sockel der Plastikfiguren das Zeichen des Besitzers. Ein Punkt für Andreas, zwei Punkte für Martin, einen Strich für mich. Weil ich nachträglich mit einem Strich die Punkte „überschreiben“ konnte, nicht aber umgekehrt.

Brettspiele

Papa brachte uns Mühle und Schach bei. Monopoly spielte ich stundenlang mit meiner Schwester in den Osterferien auf dem Teppich in Tante Gretels Zimmer; Zusätzlich nötiges Geld druckte ich selbst (siehe „Drucken“). "Spukschloß" hatte ich mir von Tante Berndina mal zu Weihnachten gewünscht. Einen Würfel manipulierte ich zu meinen Gunsten (siehe "Würfel").

Brotzeit

Oft brachte Papa eine Brotzeit für uns Kinder ins Fernsehzimmer. Dabei schnitt er belegte Brote in kleine Häppchen oder suchte Essensreste in der Speisekammer zusammen, brutzelte die ungewöhnlichsten Kombinationen in der Pfanne.

Briefmarken

Papa schnitt die Briefmarken der an uns gerichteten Post aus und sammelte sie in einer alten Zigarrenschachtel. Irgendwann Anfang der 70er Jahre begann ich mein erstes Album, denn die Widmung in meinem zweiten Briefmarkenalbum lautet: "Weil schon 1 Album voll ist - von Deinem Vater - April 1972". Vier Quellen hatte ich: Post meiner Familie, und mein Vater schrieb bzw erhielt viele Briefe und Karten. Onkel Heinz in Nürnberg, der für eine Prägefolienfirma arbeitete und mir Umschläge der Korrespondenz aus der ganzen Welt mitbrachte. Einige Freunde, mit denen ich tauschte. Und die kostbarste Quelle: Marken französischer Kolonien, die Papa im 2. Weltkrieg aus einem Landhaus in Frankreich mitgenommen hatte.

Briefmarken auf Umschlägen schnitt ich aus, wässerte sie in einer Spielzeug-Badewanne, legte sie zum Trocknen auf ein Handtuch im Badezimmer. Nachts saß ich lange an meinem Schülerschreibtisch, sortierte, sortierte neu. Briefmarkenkataloge brachte mir Papa aus Schweinfurt mit. Bei "größeren" Anschaffungen unterstützte er mich, so erinnere ich mich noch, wie er mir Geld gab für den Münchner-Olympia-Block 1972, den ich einem älteren Schüler am anderen Ende des Dorfes abkaufte.

Bücher

Im Wohnzimmer stand ein Bücherschrank, maßgefertigt vom Schreiner, aus Echtholz und verglast. Gefüllt mit vielen Bildbänden über fremde Länder, Kunst, 2.WK, Märchen und mehr. Oder ein Herder-Lexikon mit über 20 dicken schwarzen Bänden. Oft blätterte ich in diesen Büchern.

Robinson Crusoe, Tom Sawyer, Karl May, Die Schatzinsel, Abenteuer- und Seefahrer-Geschichten schenkten mir mein Vater oder Verwandte.

Mama schnitt auf Nudelpackungen Sammelpunkte aus, Papa legte Geld dazu und schickte es an den Gloria-Bilderdienst. So bekam ich vier Bücher mit je 50 farbigen Bildern zum Einkleben: Vögel in Feld und Garten, Wehrhaftes Wild in Afrika, Tiere in Teich und Tümpel sowie Unter Indianern. Darin las ich so oft, die Einbände sind zerschlissen, die Seiten vergilbt, aber ich habe heute noch alle. Widmung auf den Einbandseiten: "Hans-Georg zum Namenstag 1970 von Papa".

Von Peter W. kaufte ich kleine Büchlein ab über moderne Handfeuerwaffen und Panzer, aus der Heyne-Paperback-Serie hatte ich sechs Ausgaben u.a. über Bomber, Infanterie, U-Boote. 

Für einige Pfennige kauften wir Sticker in Tütchen, die in Sammelhefte geklebt und getauscht wurden. Auch über Militaria-Themen.

Außerdem lasen meine Eltern immer diverse Zeitschriften und Zeitungen - und das färbt natürlich auch auf den Nachwuchs ab. Mama erzählte, daß ich noch vor der Einschulung einzelne Wörter aus der Zeitung abmalte und fragte, wie die Buchstaben heißen.

Bulldog

Keiner von uns sagte "Traktor“ oder "Trecker" oder "Schlepper". Unser Begriff für diese Landmaschinen war "Bulldog". Lange nicht so riesig wie die heutigen, aber für Jungs beeindruckend. Onkel Otto in Brünnstadt, mein Taufpate, hatte einen Fendt-Frontlader. Den durfte ich bei Maisernte einige Male fahren. Hatte großen Respekt davor.

 

Bundeswehr Drill

Ein entfernter Onkel war Berufsoffizier beim Heer und lange im nahegelegenen Mellrichstadt stationiert. Wenn Onkel Georg uns besuchte, ließ er uns im Gleichschritt marschieren oder einmal alle fünf nebeneinander vor dem leeren Elternbett antreten, wo wir uns auf Kommando vornüber reinfallen ließen.